AKW Lingen

Name: KWL - Kernkraftwerk Lingen

Art der Anlage: Atomkraftwerk

Status der Anlage: im Rückbau

Bundesland: Niedersachsen

Betreiber: Kernkraftwerk Lingen GmbH

Foto: ChNPP, Wikipedia

Anlage

 

Name der Anlage:

KWL - Kernkraftwerk Lingen

Bundesland:

Niedersachsen

Betreiber:

RWE Nuclear GmbH [1]

Gesellschafter:

RWE AG (gehörte früher der VEW AG)

Reaktortyp:

Siedewasserreaktor der ersten Generation

Leistung, elektrisch:

268 MW brutto, 183 MW netto

Baubeginn:

01.10.1964

Netzsynchronisation:

01.07.1968

Leistungsbetrieb:

Kommerzieller Leistungsbetrieb ab 01.10.1968

Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde:

Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen (NMU)

Meldepflichtige Ereignisse:

34 (Stand 31.07.2022) [2]

Stilllegung

 

Außerbetriebnahme:

05.01.1977 (nach schwerem Maschinenschaden)

1979 entschied der Betreiber, den Nuklearteil stillzulegen und die Dampfturbine mit einer Hochtemperatur-Gasturbine weiter zu nutzen. [3]

Genehmigung:

November 1985: Genehmigung zur Stilllegung und Herbeiführung und Betrieb des „sicheren“ Einschlusses

14.11.1997: Genehmigung für Lockerung des „sicheren“ Einschlusses zur Konditionierung von Betriebsabfällen für deren Verbringung ins ERA Morsleben und für Freigabekampagnen. Die Verbringung nach Morsleben scheiterte an der Beendigung der Einlagerung 1998. [4]

„Sicherer“ Einschluss:

Ab 30.03.1988

Meldepflichtige Ereignisse im Einschluss:

  • 01/01: teilweiser Ausfall der Brandmeldeanlage durch Überspannung infolge Blitzeinschlag
  • 01/03: Ausfall der Brandmeldeanlage
  • 01/04: Nichtöffnen von Brandschutzklappen
  • 01/06: Leckage an der mobilen Anlage zur Entnahme, Vermischung, Abfüllung und Konditionierung von Harzen und Filterhilfsmitteln (MAVAK)
  • 01/07: Kontamination durch Überlauf eines Abwassersammelbehälters im Hilfsanlagengebäude [5]

Rückbau:

Der Antrag zur Fortführung des „sicheren“ Einschlusses vom 21.12.2004 wurde im Dezember 2007, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Rechtskräftigkeit der Genehmigung für Schacht KONRAD festgestellt hatte, zurückgezogen. Stattdessen wurde am 15.12.2008 ein Antrag zum vollständigen Rückbau gestellt. [4]

13.12.2012 – 12.02.2013 Öffentliche Auslegung der Unterlagen, 18.12.2012 positive Stellungnahme der EU-Kommission, 04.09.2014 Erörterungstermin

21.12.2015: Genehmigung für das 1. Teilprojekt des Abbaus [6]

Rückstellungen Rückbau
(AKW Lingen und AKW Emsland zusammen):

31.12.2020: 1,362 Mrd. Euro

  • Nach- und Restbetrieb: 741 Mio. Euro
  • Abbau: 347 Mio. Euro
  • Reststoffbearbeitung und Verpackung radioaktiver Abfälle: 274 Mio. Euro [7]

Entsorgungsfonds:

Einzahlung netto 67 Mio. Euro [8]

Abfälle

 

Brennelemente:

1983: Letzter Abtransport bestrahlter Brennelemente, insgesamt sind 585 Brennelemente (66 t SM) angefallen [9]

Rückbauabfälle:

Gesamtmasse des AKW 62.000 t, davon ca. 58.000 t Beton und 3.700 t Metall. Der Betreiber geht davon aus, weniger als 3.100 t als radioaktive Abfälle behandeln zu müssen. Der Rest soll freigegeben werden. [5]

Die Rückbauabfälle werden in Gebäuden im AKW Lingen gelagert. Die Genehmigung für das Zwischenlager im AKW Lingen wurde mit dem Genehmigungsbescheid für den 1. Teilabschnitt des Rückbaus erteilt.  [6]

Inventar (31.12.2019):  [10]

 

Rohabfälle und vorbehandelte Abfälle

  • Feste Abfälle, anorganisch: 194,2 t
  • Feste Abfälle, organisch: 16,2 t
  • Mischabfall: 11,1 t

Konditionierte Abfälle

  • 200-l-Fässer: 590 (159 m³)
  • 280-l-Fässer: 26 (10 m³)

Abfälle in „Endlagergebinden“

  • MOSAIK Gussbehälter: 142 (185 m³)
  • Container Typ V: 2 (33 m³)

Ältestes gelagertes Gebinde aus 1978: 30 VBA (Behälter mit verlorener Betonabschirmung).

Abtransporte nach Bedarf zur externen Lagerung / Bearbeitung vorgesehen. [11]

Luftführung und Klimatisierung:

Es besteht eine gerichtete Luftführung im Lagerungsbereich, Mess- und Filtereinrichtungen für die Entlüftung und eine Klimatisierung zur Verhinderung der Taupunktunterschreitung. [11]

Inspektionen:

Gemäß innerbetrieblicher Anweisung routinemäßige vierteljährliche Sichtprüfung. Repräsentative Sichtprüfung alle 5 Jahre. Bisher wurden keine Befunde festgestellt. [11]

Verbringung von Abfällen:

  1. Wiederaufarbeitung: Alle Brennelemente der gesamten Betriebszeit, 585 Brennelemente (66 t SM), wurden zur Wiederaufarbeitung nach Sellafield (GB) gebracht. [12]
  2. ASSE II: Ca. 350 t in 1.285 Gebinden [13]
  3. Abfall-Zwischenlager Ahaus (Stand 06.09.2021) [14]
  • Container Typ IV: 1
  • Container Typ V: 4
  1. Ems-Jade-Mischwerk Lingen: Bislang freigegebene Betonstrukturteile [5]
  2. Mülldeponie Venneberg: Deponierung der freigegebenen Aktivkohle [5]
  3. Fa. Siempelkamp: Bislang freigegebene Metallschrotte zum Einschmelzen und Wiederverwerten [5]
  4. Mülldeponie Dörpen: Der eingeschränkt freigegebene Bauschutt aus dem Abriss soll auf der Mülldeponie Dörpen gelagert werden. Laut Neuer Osnabrücker Zeitung habe der Landkreis die Annahme von 100 t/Jahr zugesagt. [15]

Transporte

 

zur Anlage:

Extern konditionierte schwach- und mittelradioaktive Abfälle

von der Anlage:

Radioaktive Rohabfälle, konditionierte radioaktive Abfälle, später ggf. Großkomponenten

Gleisanschluss:

Nicht vorhanden

Besonderheit:

1988-1991: Nach der Katastrophe von Tschernobyl wurden 242 Eisenbahnwaggons mit verstrahltem Molkepulver aus Bayern nach Lingen transportiert und dort für ca. 20 Mio. Euro dekontaminiert. Mittels eines Ionenaustauschverfahrens wurde die Belastung mit Caesium-137 von 8.000 Bq/kg auf 100 Bq/kg reduziert und das so behandelte Pulver als Viehfutter verwendet. 178 Fässer mir Caesium wurden zum Kernforschungszentrum Karlsruhe gebracht. [16]

Adressen

 
Betreiber: Kernkraftwerk Lingen GmbH
Schüttorfer Straße 100, 49808 Lingen

Behörden:

Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (NMU)
Archivstraße 2, 30169 Hannover, Tel.: 0511 120-0
poststelle(at)mu.niedersachsen.de, www.umwelt.niedersachsen.de

KritikerInnen:

Anti-Atom-Gruppe Osnabrück, www.antiatomgruppe-osnabrueck.de

Anti-Atom-Gruppe Lingen, AntiatomLingen(at)gmx.net

Quellen:

[1] rwe.com: RWE Nuclear GmbH, abgerufen am 07.10.2022

[2]  base.bund.de: Kernkraftwerke in Deutschland: Meldepflichtige Ereignisse seit Inbetriebnahme

[3] Bundesamt für die Sicherheit der kerntechnischen Entsorgung: „Statusbericht zur Kernenergienutzung in Deutschland 2020“, Dezember 2021, S. 28

[4] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: „Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit und Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle – Bericht der Bundesrepublik Deutschland für die fünfte Überprüfungskonferenz im Mai 2015“, S. 106f.

[5] Niedersächsischer Landtag: Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (Grüne): „Vollständiger Abriss des stillgelegten Atomkraftwerks Lingen“, Drucksache 16/1454, 28.07.2009

[6] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz: Erteilung des Genehmigungsbescheids 1/2015 (Teilprojekt 1) des Kernkraftwerks Lingen (KWL)

[7] Deutscher Bundestag: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht nach § 7 des Transparenzgesetzes - Rückbau von Kernkraftwerken. Drucksache 20/42, 04.11.2021

[8] Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung: Geschäftsbericht zu 31.12.2017

[9] Dieser Mann reißt ein Kernkraftwerk ab, Hannoversche Allgemeine, 15.10.2028

[10] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: „Verzeichnis radioaktiver Abfälle – Bestand zum 31. Dezember 2019 und Prognose“, Januar 2021

[11] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz:“Fragen zur Umsetzung der ESK-Leitlinien für die Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung – Anlage: Übersicht der Lagerstandorte für radioaktive Abfälle in Niedersachsen (Stand 30.01.2015)“

[12] Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Grußße PDS / Linke Liste: „Entsorgungssituation der bundesdeutschen Atomanlagen“, Drucksache 12/5900, 14.10.1993

[13] Helmholtz-Zentrum München / PG Jülich: „Asse-Inventar – Abschlussbericht“, 31.08.2010

[14] Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Victor Perli, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kosten und Verteilung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle in den Zwischenlager der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung mbH, Drucksache 19/32620, 29.09.2021

[15] "Schutt von altem Atomkraftwerk Lingen soll nach Dörpen", Neue Osnabrücker Zeitung, 31.03.2015

[16] Stadtarchiv Lingen: Archivalie Mai 2016 - Tschernobyl und Molkepulver, abgerufen 09.10.2022