RBU Hanau

Name: Siemens Brennelementwerk Hanau, Betriebsteil Uran

Art der Anlage: Brennelementfertigung

Status der Anlage: zurückgebaut

Bundesland: Hessen

Betreiber: Siemens AG

Quelle: http://www.anti-atom-aktuell.de

Anlage

 

Name:

SBH-Uran: Siemens Brennelementwerk Hanau, Betriebsteil Uran

Bis 1988: RBU – Reaktor-Brennelemente-Union, Werk 1

Bundesland:

Hessen

Betreiber:

Ab Siemens AG

Gegründet 1969 von Siemens über die KWU (60%)  und NUKEM (40%) als RBG - Reaktor-Brennelemente Gesellschaft gegründet, 1974 in RBU umbenannt.

Nach dem Transnuklearskandal übernahm Siemens 1988 die Anteile von NUKEM und benannte RBU in „Siemens Brennelementwerk Hanau – Betriebsteil Uran-Verarbeitung (SBH-Uran)“ um.

Inbetriebnahme:

1969

Brennelement-
fertigung:

Brennelemente für Leichtwasserreaktoren aus niedrig angereichertem Uran [1]

Es wurden aber auch MOX-Brennelemente assembliert und mit höher angereichertem Uran umgegangen. [2]

Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde:

Inbetriebnahme: Hessisches Ministerium für Wirtschaft und Technik (HMWT)

Stilllegung: Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV)

Genehmigung:

22.07.1969:  Umgangsgenehmigung nach § 9 AtG: Zulassung der Lagerung und Verarbeitung von Kernbrennstoffen in einer vorhandenen Anlage ohne förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Nutzung der Anlagen der Fa. Degussa, die bereits während des Nationalsozialismus an der Urantechnologie forschte und Ende der 1950er Jahre ihre Tätigkeiten in diesem Bereich wiederaufnahm. [3]

30.12.1974: Umgangsgenehmigung nach § 9 AtG: Ausweitung auf 40 kg Plutonium in Form von Mischoxid-Brennelementen, jedoch höchstens die Brennstäbe für zwei Brennelemente sowie 160 kg höher angereichertes Uran. [4]

Die 3. AtG-Novelle schrieb eine Genehmigungspflicht nach § 7 AtG für Brennelementfabriken vor. Unbefristet genehmigte Betrieb erhalten eine Übergangsfrist bis zum 31.10.1977, befristet genehmigte Anlagen drei Monate. RBU stellte fristgemäß einen Antrag nach §7 AtG, allerdings ohne die neu erforderlichen Sicherheitsnachweise zu erbringen oder das Vorhaben konkret zu beschreiben. Erst im November 1984 wurde der Antrag konkretisiert. [5]

31.08.1990: Betriebsgenehmigung nach § 7 AtG [1]

Betrieb ohne Genehmigung:

November 1984: In der Konkretisierung des Genehmigungsantrages von 1974, die 1984 vorgelegt wurde, fehlte der Antrag, plutoniumhaltige MOX-Brennelemente zu montieren. Folgerichtig produzierte die RBU diese Brennelemente seit 1974 illegal. Daraufhin verfügte der  Hessischen Wirtschaftsminister im Mai 1985 die Teilstilllegung der Anlage. [2]

Atomaufsichtliche Weisung:

18.07.1985: Bundesinnenminister Zimmermann untersagte 1985 dem Hessischen Wirtschaftsminister die Teilstilllegung der Anlage. [1]

Besondere Gefahren:

Die Anlagen waren weder gegen Flugzeugabsturz noch gegen Druckwellen aus chemischen Explosionen oder Erdbeben ausgelegt und entsprachen in keiner Weise den Anforderungen an den Umgang mit radioaktiven Stoffen. [2]

Bekannte Ereignisse:

Im Laufe des Betriebs gab es eine Vielzahl von Störfällen, u.a..

  • September 1980: Zwei Werkstudenten gelang es „aus Spaß“, drei Uranbrennstofftabletten aus dem Werk zu schmuggeln. [6]
  • 1984: Merhmals wurden kurfristig mehr Brennstäbe gleichzeitig gehandhabt, als 40 kg Plutonium entsprechen. [4]
  • Ende 1985: 240.000 Liter unranverseuchtes Schmutzwasser floss in die öffentliche Kanalisation ab [6]
  • Dezember 1985 bis mindestens 1987: strahlenbelastetes Wasser sickerte aus einem Leck des Kühlkreislaufsystems ins Grundwasser [6]
  • Juni 1987: Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, weil zwei Jahre lang unbemerkt 25 kg Uranoxidtabletten in einer dafür nicht gesicherten Halle aufbewahrt worden sind. Sie waren in einem Transportbehälter vergessen worden. [7]
  • August 1991: Nicht zum erstenmal entwichen giftige Gase aus dem Brennelementwerk. Diesesmal war eine Vertreterin des Gewerbeaufsichtsamtes Frankfurt vor Ort. Daraufhin verfügte der Hessische Umweltminister die Stilllegung eines wesentlichen Bereichs der Fertigung. [8]

Stilllegung

 

Außerbetriebnahme:

1995: Einstellung der Produktion durch die Siemens AG [1]

Rückbau:

1996-2001 Mehrere Einzel- und Teilgenehmigungen zum Leerfahren und Rückbau der Anlage.

Mai 2006: Aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes entlassen

Grundwasserkontamination: Ende 1985 flossen 240.000 Liter uranverseuchtes Schmutzwasser in die öffentliche Kanalisation ab. Seit Dezember 1985 sickerte über Jahre hinweg strahlenbelastetes Wasser aus einem nicht georteten Leck des RBU-Kühlkreislaufsystems ins Grundwasser. Deshalb musste eine Grundwasseraufbereitung durchgeführt werden.

November 2012: Außerbetriebnahme der Grundwasseraufbereitungsanlage 

September 2016: Ende des Betriebs von Meßstellen zur Überprüfung der Urangehalte im Grundwasser

Ende 2016: Abbau der Grundwasseraufbereitungsanlage [1]

Abfälle

 

Verbringung von Abfällen:

  1. ASSE II: 1.523 Gebinde von RBU (Karlstein und Hanau) [9]
  2. Morsleben: 40 m³ von der Siemens AG Hanau insgesamt [10]
  3. NCS Hanau, Halle 12: Rückbauabfälle [11]
  4. Salzbergwerk Bad Friedrichshall-Kochendorf:
    August 2001 - März 2005: 15.000 t  Bauschutt und Aushubmaterial von der Siemens AG insgesamt [12] 

Quellen

[1] Bundesamt für Strahlenschutz: "Statusbericht zur Kernenergienutzung in der Bundesrepublik Deutschland 2021", September 2022

[2] "Atomindustrie - Ganz geknickt", DER SPIEGEL, 13.05.1985

[3] Jacob Martin: „Der atomindustrielle Komplex und das Recht – Hintergründe des Hanauer ALKEM-Prozesses“, Kritische Justiz, 1987 Heft 4, Nomos

[4] Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Schily, Schulte (Menden) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Illegale Plutoniumverarbeitung in Hanau. Drucksache 10/5772. 25.06.1986

[5] Braunschweiger Zeitung: Teilstilllegung für Hanauer Atomfabrik. 08.05.1985

[6] Jeder Hammer. In DER SPIEGEL 13/1987, 22.03.1987

[7] Riesen-Skandal in Atomfirma. Abendzeitung München 26.06.1987

[8] Atemnot und rote Augen. In. DER SPIEGEL 38/1991, 01.09.1991

[9] Helmholtz Zentrum München, PG Jülich: „AG ASSE Inventar – Abschlussbericht“, München-Jülich, 31.08.2010

[10] Deutscher Bundestag: Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Lötzer, Drucksache 17/14270, 28.06.2013, S. 62 ff.

[11] umweltministerium.hessen.de: NCS

[12] Stadt Heilbronn: „Lagerung von schwach radioaktiven Abfällen im Salzbergwerk Heilbronn“, 25.10.2011