Atommüll - radiologische und stoffliche Eigenschaften

Gängigerweise wird die Gefährlichkeit des radioaktiven Abfalls mit der Aktivität gleichgesetzt. Tatsächlich ist es jedoch eine Bündelung von Eigenschaften, die den Atommüll und seine Wirkung definieren.

Gängigerweise wird die Gefährlichkeit des radioaktiven Abfalls mit der Aktivität gleichgesetzt. Tatsächlich ist es jedoch eine Bündelung von Eigenschaften, die den Atommüll und seine Wirkung definieren.

Aktivität:

Anzahl der Zerfälle pro Zeit: Zahl der Atomkerne, die in einer Sekunde zerfallen. Maßeinheit: Becquerel = 1 Zerfall pro Sekunde

Hochradioaktive Abfälle: > 1014 Bq pro m³

Mittelradioaktive Abfälle: 1010 bis 1015 Bq pro m³

Schwachradioaktive Abfälle: <1011 Bq pro m³

Halbwertszeit

Die Zeit, in der jeweils die Hälfte der vorhandenen Radionuklide in einem physikalischen Prozess zerfällt. Nach einer Halbwertszeit beträgt die Radioaktivität die Hälfte, nach zwei Halbwertszeiten ein Viertel und nach zehn Halbwertszeiten ein Tausendstel und nach zwanzig Halbwertszeiten ein Millionstel des Ausgangswertes.

Die Halbwertszeit verhält sich umgekehrt proportional zur Aktivität. Das heißt, je kürzer die Halbwertszeit eines Stoffes ist, desto höher ist seine Zerfallsrate und damit seine Aktivität.

Zerfallsreihe

Wenn ein Radionuklid zerfällt, wandelt es sich in ein anderes Nuklid („Tochternuklid“) um. Dieser Prozess setzt sich fort ( „Enkelnuklid“, Urenkelnuklid“, etc.) bis zu einem nicht-radioaktiven stabilen Endnuklid. Logischerweise steigt in einem Radionuklidgemisch im Laufe der Zeit der Anteil an Radionukliden mit langer Halbwertszeit. Die Halbwertszeit eines Tochternuklids kann höher sein, als die des Mutternuklids. Beispiel: Plutonium-239 mit einer Halbwertszeit von 24.110 Jahren zerfällt in Uran-235 mit einer Halbwertszeit von 703,8 Millionen Jahren. Die Zerfallsreihe kann zwischen Alpha-, Beta- und Gammazerfällen wechseln.

Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlung

Die Unterteilung in Alpha-, Beta- und Gammastrahlung bemisst sich an der Durchdringungsfähigkeit der Strahler.

Alphastrahler: Bei einem Alphazerfall sendet der Atomkern ein Alphateilchen, bestehend aus 2 Protonen und zwei Neutronen (Helium-4-Atomkern) aus. Das Alphateilchen hat eine Geschwindigkeit zwischen 10.000 km/s und 20.000 km/s. Die kinetische Energie liegt bei 2 bis 5 MeV (Megaelektronenvolt), bei künstlichen Radionukliden auch über 10 MeV.

Alphastrahler besitzen eine geringe Reichweite und können bereits durch ein Blatt Papier abgeschirmt werden. Die äußere Einwirkung auf den Menschen ist gering, da sie nur auf obere Hautschichten einwirken. Gefährlich sind Alphastrahler, wenn sie inkorporiert, also über Atmung oder Nahrung in den Körper aufgenommen werden, da sie die lebenden Zellen schädigen und sich in Organen anreichern können. Der Strahlungswichtungsfaktor für Alphastrahler wurde auf 20 festgelegt, d.h., es wird für den gleichen Energieeintrag eine 20fach schädliche Wirkung auf den Körper im Vergleicht zu Beta- und Gammastrahlern angenommen. Beispiele für Alphastrahler: Uran-233, -234, -235, Plutonium-238, -239, Americium-241, Radium-226, Radon-222

Betastrahler: Bei einem Betazerfall sendet der Atomkern zwei Elementarteilchen aus. Bei Nukliden mit hohem Neutronenüberschuss kommt es zu einem Beta-Minus-Zerfall, es werden ein Elektron und ein Anti-Neutrino ausgesendet. Bei seltener vorkommenden Nukliden mit hohem Protonenüberschuss kommt es zu einem Beta-Plus-Zerfall, es werden ein Positron und ein Neutrino ausgesendet. Die Geschwindigkeit kann von nahezu null bis Lichtgeschwindigkeit betragen. Auch die kinetische Energie ist unterschiedlich, die typische maximale Energie liegt bei 1 MeV.

Die Reichweite von Betastrahlern liegt zwischen 10 cm und 11 m. Je nach Strahlungsenergie und Abschirmmaterial ist eine unterschiedliche Dicke der Abschirmung vonnöten. Zudem führt die Betastrahlung zu einer Ionisierung der oberflächennahen Schicht. Bei äußerer Einwirkung auf den Menschen können Betastrahler zu Verbrennungen, Hautkrebs oder Augenlinsentrübung führen. Bei Inkorporation wird fast die gesamte Energie im Körper deponiert und kann zu hoher Strahlenbelastung in der Zellumgebung führen. Beispiele für Betastrahler: Caesium-137, Iod-131, Strontium-90, Cobalt-60, Tritium

Gammastrahler: Gammastrahlung entsteht vor allem, wenn der zurückbleibende Atomkern nach einem Beta- oder Alphazerfall in einem angeregten Zustand verbleibt und Energie abgibt. Sie ist im Gegensatz zu Alpha- oder Betastrahlung keine Teilchenstrahlung sondern besteht aus elektromagnetischen Wellen. Gammastrahlung breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Die kinetische Energie liegt zwischen 0,01 MeV und 10 MeV.

Gammastrahlung ist sehr durchdringend und aufwändig abzuschirmen. Selbst eine Abschirmung mit Blei oder Beton kann nur einen Teil der Wellen aufhalten (je dicker, desto mehr), einen absoluten Schutz gibt es nicht. Wird Gammastrahlung vom Körper aufgenommen, kommt es zu Sekundärstrahlungen. Eine Bestrahlung mit hohen Dosen führt zur Zerstörung des Knochenmarks, zu schnellem Zelltod, völligem Versagen des Nervensystems und zum Tod innerhalb weniger Stunden bis zu wenigen Wochen. Geringere Dosen führen zu Unfruchtbarkeit, erhöhtem Infektionsrisiko, Krebserkrankungen und genetischen Schäden.

Neutronenstrahlung: Sie besteht aus elektrisch neutralen Teilchen (Neutronen). Sie durchdringt Materie relativ leicht und wirkt wie Gamma- und Röntgenstrahlen von außen auf Menschen. Neutronenstrahlen werden nur von wenigen radioaktiven Stoffen abgegeben, zum Beispiel von bestrahlten Kernbrennstoffen. Sie kann zur Aktivierung von vorher nicht-radioaktiven Atomkernen sowie zu Gammastrahlung beim Einfang des Neutrons an Wasserstoff führen. Der Strahlungswichtungsfaktor für Neutronenstrahler wurde je nach Energieintensität zwischen 5 und 20 festgelegt, d.h., es wird für den gleichen Energieeintrag eine 5 bis 20fach schädliche Wirkung auf den Körper im Vergleicht zu Beta- und Gammastrahlern angenommen.

Radiotoxizität

Die Radiotoxizität beschreibt die gesundheitsschädliche Wirkung von Radionukliden auf den menschlichen Körper. Sie hängt ab von der Art der Strahlung, der Energie, von der Art der Inkorporation, von der Aufnahme im Organismus und von der Verweildauer im Körper (Biologische Halbwertszeit).

Beispiele

  • Cäsium-137, Betastrahler, besitzt Ähnlichkeiten mit Kalium und hat eine hohe Wasserlöslichkeit. Es verteilt sich im Körper und lagert sich insbesondere im Muskelgewebe ein. Biologische Halbwertszeit 70 Tage.
  • Iod-131, Betastrahler. Der Körper kann Iod-131 nicht von nicht-radioaktivem Iod unterscheiden, lagert es in der Schilddrüse ein, was zu Schilddrüsenkrebs führen kann. Biologische Halbwertszeit 80 Tage
  • Strontium-90, Betastrahler, wird aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Calcium in die Knochen und das Knochenmark eingebaut und kann zu Knochentumoren und Leukämie führen. Biologische Halbwertszeit 49 Jahre.
  • Plutonium-239, Alphastrahler, lagert sich in Knochen, Lymphknoten und der Leber ab. Biologische Halbwertszeit 200 Jahre.

Chemische Toxizität

Atommüll strahlt nicht nur, die Materialien sind teilweise auch hoch toxisch, vom Blei der Behälter über PVC im Fixierungsmaterial bis hin zu Schwermetallen, Phosphaten und Chloriden in den Abfallstoffen.