Freigabe

Hintergrund

Mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung im Jahr 2001 (modifiziert 2011) wurde die Freigabe radioaktiver Abfälle unterhalb bestimmter Grenzwerte bundeseinheitlich geregelt und signifikant ausgeweitet. Radioaktive Abfälle, die gering kontaminiert sind, werden "freigemessen" und anschließend "frei gegeben". Durch die   Freigabeentscheidung sind sie keine radioaktiven Stoffe im Sinne des Atomgesetzes mehr. Je nach Klassifizierung können Stoffe uneingeschränkt oder zur Beseitigung freigegeben werden. Bei einer uneingeschränkten Freigabe gibt es keine Festlegungen bezüglich der künftigen Nutzung, Verwendung, Verwertung, Wiederverwertung, Beseitigung oder dem endgültigen Verbleib der Stoffe. Bei einer Freigabe zur Beseitigung müssen die Stoffe auf einer Deponie gelagert oder verbrannt werden. Eine Verwertung oder Wiederverwendung außerhalb einer Deponie oder Verbrennungsanlage sowie der Wiedereintritt der Stoffe in den Wirtschaftskreislauf muß ausgeschlossen sein. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Massen an radioaktiven Abfällen infolge der anstehenden Rückbauprojekte in den nächsten Jahren ist eine flächendeckende Verbreitung uneingeschränkt freigegebener radioaktiver Stoffe sowie eine Konzentration auf den Hausmülldeponien zu erwarten.

Am 13. Januar 2021 ordnete der Schleswig-Holsteinische Umweltminister Jan Philip Albrecht (GRÜNE) an, dass Abfälle aus dem Abriss des AKW Brunsbüttel auf den Deponien in Niemark (Lübeck) und Johannistal in Germersdorf (Kreis Ostholstein) zwangsweise endgelagert werden sollen. Begleitet hat der Minister seine Anordnung mit dem Verweis, dass Radioaktivität natürlich sei, freigemessener Müll nicht radioaktiv sei und der Verzehr von Paranüssen mehr Strahlenbelastung hervorrufe als freigegebene radioaktive Abfälle. Mancher mag sich da an die Argumentationsmuster der Betreiber und Atomenergielobbyisten aus dem letzten Jahrhundert erinnert fühlen.

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Ebenso wie es keine einheitliche Klassifizierung radioaktiver Abfälle gibt, gibt es auch keinen einheitlichen Umgang mit gering radioaktiven Reststoffen und Abfällen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Während einige Länder wie die Bundesrepublik Deutschland gering strahlende radioaktive Abfälle aus dem Atomgesetz entlassen und als konventionelle Stoffe weiter behandeln, deponieren andere Staaten wie Frankreich und Spanien diese Abfälle in eigens dafür errichteten Oberflächenlagern.

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von Claudia Baitinger

Heute erleben wir die weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkte Praxis, gemäß der Strahlenschutzverordnung [1] Abfälle aus dem Rückbau von Atomkraftwerken per Definition zu „nicht mehr Atommüll“ durch „Freigabe“ (§ 8 StrlSchV) oder „Freimessen“ (§ 29 StrlSchV) zu erklären, den  man dann billig u.a. auf Hausmülldeponien verscharren, in Baustoffen, im Straßenbelag, auf Kinderspielplätzen, in Zahnspangen, Bratpfannen, Jeansknöpfen und Musikinstrumenten unterbringen oder - einfach - vergessen kann.

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